Vom ersten Herzrasen zur Akzeptanz: Mein Weg durch Panikattacken und Zwangsgedanken
Von Jürgen, 28 Jahre

Es war ein Montag im Februar, es war sehr kalt draußen. Ich saß im Homeoffice und hatte in dieser Woche noch mehrere geplante Termine im Ausland. Plötzlich wurde mir mulmig. Ich bekam Herzklopfen, begann zu schwitzen und meine Atmung wurde unruhig. Aus dem Herzklopfen wurde ein Herzrasen und nach und nach spürte ich, wie sich eine Panikattacke anfühlt.
Angst stieg in mir hoch. Ich wusste nicht, was mit mir geschah, und was ich tun sollte. Meine ersten Gedanken drehten sich sofort um den Tod: Sterbe ich jetzt? Hört mein Herz jemals wieder auf, so schnell zu schlagen? Werde ich gleich umfallen? Verliere ich die Kontrolle über meinen Körper? All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf und es war unmöglich, sie zu ordnen.
Nach wenigen Minuten war der Zustand vorbei. Ich war erleichtert und hoffte einfach nur, so etwas nie wieder erleben zu müssen. Genau das war mein Fehler – und so begann eine Reise, von der ich damals nicht wusste, wohin sie mich führen würde.
Von Panikattacken zu Zwangsgedanken
Durch das Lesen von Büchern und Online-Beiträgen und mithilfe von Meditationen konnte ich meine Panikattacken sehr schnell regulieren und wusste, wie ich mich verhalten musste, wenn ich sie zu verspüren begann.
Meine privaten und beruflichen Reisen sagte ich aber sofort ab. Was wäre, wenn ich eine Panikattacke im Flugzeug hätte? Ich könnte das Flugzeug in der Luft nicht einfach so verlassen. Damit fühlte ich mich auf der sicheren Seite und beschloss, keine weiteren Reisen zu buchen. Das war ein weiterer großer Fehler.
Die meiste Zeit verbrachte ich zu Hause. Ich wohne neben den Bahngleisen, wo täglich mehrere Züge nur wenige Meter von meinem Gartenzaun entfernt vorbeifahren. Was wäre, wenn ich mich einfach vor den Zug werfe? Was wäre, wenn ich einen anderen Menschen vor den Zug stoße?
Gesunde Ernährung ist als Sportler wichtig. Ich koche gerne zu Hause, doch jedes Mal wurde mir unwohl, wenn ich das scharfe Küchenmesser in der Hand hielt. Was wäre, wenn ich damit jemanden verletze?
Ich hatte mit verschiedenen Arten von Zwangsgedanken zu kämpfen und fühlte mich dauerhaft unter enormer Anspannung. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, wie sich ein normales Leben anfühlt. Eine Sekunde nach dem Aufstehen begann ich zu grübeln – bis ich mich abends wieder ins Bett legte. Täglich das gleiche Muster: aufstehen, grübeln, schlafen gehen.
Ich versuchte, mich mit Arbeit abzulenken und hatte regelrecht Angst vor dem Wochenende. Selbst diese beiden Tage füllte ich mit Terminen, nur um mich nicht mit meinen Gedanken auseinandersetzen zu müssen. Und so war sie da – die Angst vor der Angst.
Der Weg zur Therapie
Durch das Lesen von Büchern, Zeitschriften und das Hören von Podcasts war ich in der Theorie gut aufgestellt. Ich wusste, dass Gedanken nur Gedanken sind und nichts mit der Realität zu tun haben – und dass ich mit Meditation meine Panikattacken gut unter Kontrolle halten kann.
Aber meine schrecklichen Gedanken waren immer noch da. Ich suchte nach Gründen, warum dieses oder jenes nicht eintreten würde bzw. könnte. Das Grübeln nahm kein Ende.
Tage später entschied ich mich, eine Verhaltenstherapie zu beginnen. Sehr schnell begriff ich, dass es an dieser Angst keinen Weg vorbei gibt – man muss da einfach durch. Es kostete mich viel Kraft, diese grausamen Emotionen zuzulassen, anstatt sie zu unterdrücken. Doch es war natürlich ein ständiges Auf und Ab.
Rückschläge als Weg zum Erfolg
Schon nach wenigen Wochen spürte ich eine unglaubliche Energie in meinem Körper und konnte wieder Städtetrips mit dem Flugzeug unternehmen. Während des Flugs tauchten jedoch neue, philosophische Zwangsgedanken auf: Ist die Welt wirklich echt? Was, wenn wir uns das alles nur einbilden? Vielleicht bin ich der Einzige auf der Welt und alle anderen sind unecht?
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Diese Gedanken hatte ich zu Beginn der Therapie noch nicht. Natürlich fragte ich mich, ob die Therapie überhaupt Sinn macht, wenn es mir plötzlich wieder schlechter ging. Doch das war ein Irrtum – denn gerade diese Rückschläge haben mein Leben verändert.
Was bedeutet Akzeptanz und was müssen wir eigentlich akzeptieren?
Ich habe immer versucht, die Situation so zu akzeptieren, wie sie ist, aber dennoch gab es Dinge, die mich immer wieder zum Grübeln brachten. Nach mehreren Monaten begann ich, mich intensiv mit dem Thema Akzeptanz zu beschäftigen. Während der Verhaltenstherapie sowie in Büchern und Podcasts wurde viel darüber gesprochen, doch ich wusste nie genau, was ich eigentlich akzeptieren sollte.
Es ging zum einen um die Situation selbst und zum anderen die Ungewissheit hinter meinen Zwangsgedanken. Dabei handelte es sich ausschließlich um irrationale Dinge – Dinge, die ich als Person weder ändern, voraussagen noch beeinflussen kann. Situationen, die vielleicht morgen, nächste Woche oder in zehn Jahren eintreten könnten. Letztendlich haben wir über nichts eine 100-prozentige Sicherheit – und das ist auch gut so. Es wäre doch schade, wenn wir schon heute wüssten, was in sieben Jahren passiert.
Wir müssen lernen, die Ungewissheit zu akzeptieren – ganz unabhängig davon, welche Gedanken unser Gehirn produziert. Unser Gehirn kennt keine Grenzen. Wenn wir 100 Argumente dafür finden, warum ein bestimmtes Problem nicht eintreten sollte, liefert unser Gehirn garantiert 101 Gegenargumente.
Was ich euch mitgeben möchte und wie ich heute lebe
Nach wenigen Wochen machte mir die Therapie regelrecht Spaß, weil ich sehen und spüren konnte, wie erfolgreich man an seiner psychischen Gesundheit arbeiten kann. Die Therapie half mir nicht nur im Umgang mit meinen Zwängen, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen. Ich wurde mutiger, schlief erholsamer und konnte sogar die Medikamente, die ich oft vorsorglich genommen hatte, komplett absetzen. Zudem wurde ich sportlich aktiver als je zuvor. Langstreckenflüge sind nun überhaupt kein Problem mehr und es gibt keinen Zeitpunkt in meinem Leben, an dem ich nicht bereits die nächste Reise plane.
Therapeutische Hilfe ist bei Zwängen unglaublich wichtig. Nehmt euch die Zeit und investiert in eure Gesundheit. Ich wollte meine Gedanken immer loswerden und mich endlich frei fühlen – bis ich begriff, dass ich diese Gedanken mein Leben lang haben werde. Entscheidend ist nicht, ob sie da sind, sondern wie ich mit ihnen umgehe.
Das Lesen von Büchern, Zeitschriften und das Hören von Podcasts haben mir in der Theorie viel gebracht. Doch die Verhaltenstherapie – mit all ihren Rückschlägen – hat mein Leben verändert. Heute lebe ich ein besseres Leben als je zuvor.
Jürgen, 28 Jahre
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