Angst vor Schizophrenie: Mein Erfolg durch Expositionen in der Klinik

Von Steffi, 48 Jahre

Seit meinem 10. Lebensjahr leide ich unter einer Angst- und Zwangsstörung. Die direkten Zusammenhänge sind mit allerdings erst durch die Informationen von OCD Land klar geworden. Damals hatte ich nach einem traumatischen Vorfall (Tod einer Bezugsperson) meine erste Panikattacke, verbunden mit der Angst, die Kontrolle über mich und meine Gedanken zu verlieren. Da ich als Kind das Ereignis emotional nicht verarbeiten konnte, öffnete sich sozusagen die Türe zum Zwang „als Bewältigungsstrategie“.

Ich entwickelte mehrere Kontrollzwänge und versuchte, ein „perfektes Kind“ zu sein. Die „Kontrolle“ und das Beobachten meiner Gedanken, meiner Umwelt und meines Gesundheitszustandes gaben mir ein Gefühl der Sicherheit.

Später kamen Anorexie, Sportsucht, Tinnitus, Erstickungsängsten bis zu meiner jetzigen Angst vor Schizophrenie hinzu, gepaart mit Hyperfokussierung auf Körper und Gedanken, sowie Metazwänge

Ich möchte hier nicht auf alle meine bisherigen Zwangsgedanken und -vorstellungen näher eingehen, da diese austauschbar sind und (fast) immer mit derselben Kernangst enden. 

Meine größte Angst ist es, verrückt zu werden und die Kontrolle zu verlieren. Diese endet mit der Vorstellung (Kernangst), für immer allein zu sein, gefangen in meinen Zwangsgedanken und schließlich in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie vollgepumpt mit Neuroleptika zu enden. 

Ich habe mich daher dazu entschlossen, erneut in eine psychosomatische Klinik zu gehen, in der ich vor längerer Zeit bereits wegen Magersucht, Angststörung und emotional instabiler Persönlichkeitsstörung behandelt wurde.

Erst vor etwa einem Jahr wurde mir durch die Informationen von OCD Land klar, dass auch meine Angstsymptome sowie meine frühere Essstörung zu einer Zwangsstörung gehören. 

Das bedeutete für mich, dass meine früheren Diagnosen nie den Kern meiner eigentlichen Erkrankung, nämlich der Zwangsstörung getroffen haben. Aus diesem Grund haben wohl auch die verschiedenen Therapien (ohne Expositionen mit Reaktionsverhinderung) langfristig zu keiner Verbesserung meiner Symptome geführt. 

Mein Aufnahmetermin in der Klinik war im Dezember 2023 auf einer reinen Expositionsstation für Zwangsstörungen. Der Aufenthalt dauerte insgesamt vier Monate. Vor zwei Monaten wurde ich entlassen. 

Ich musste ein knappes Jahr auf meinen Therapieplatz warten, konnte aber durch die Mitgliedschaft bei OCD Land (Artikel, Webinare, Podcasts etc.) vorab schon viel an mir arbeiten, sodass mir die Behandlung und die Erkrankung nicht fremd waren. Was mir schon vor der Klinik half, war sozusagen selbst „Expertin“ für meine Zwangsstörung zu werden.

Davon konnte ich auch in der Klinik profitieren, da ich meine Expositionen zum großen Teil selbst gestalten und durchführen konnte.

Jetzt möchte ich aber Näheres über meinen Klinikaufenthalt berichten:

In den ersten Wochen ging es hauptsächlich um das Aneignen von viel theoretischem Wissen über die Zwangsstörung. Wichtig hierbei war auch das Differenzieren zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Gerade bei mentalen Zwangshandlungen ist es nicht so einfach zu erkennen, was genau der Zwangsgedanke ist und wann die mentale Zwangshandlung beginnt. 

In der wöchentlichen Einzeltherapie sowie in der Gestaltungstherapie konnte ich mein individuelles Zwangssystem gestalten. Dies ist wichtig für die anschließende Expositionsphase, die nach etwa drei bis vier Wochen beginnt. 

Als sehr hilfreich für meinen Weg aus der Zwangsstörung empfand ich auch die Gruppentherapie zu ACT (Akzeptanz- und Commitment-Therapie). Hier ging es in erster Linie darum, mir meiner Werte bewusst zu werden, diese zu akzeptieren und mich entsprechend dieser zu verhalten. Ich habe also gelernt, mich entsprechend meiner Werte zu verhalten, anstatt mich durch Ängste und Zwänge kontrollieren zu lassen. 

Da ich am meisten unter der Angst vor Schizophrenie und der Angst vor Kontrollverlust leide/litt, wurden die Expositionen hauptsächlich darauf ausgerichtet. 

Zuerst sollte ich meine physischen Zwangshandlungen exponieren. Ich möchte euch hier ein Beispiel schildern:

Ich habe große Angst vor Cannabisgeruch, mit der Befürchtung, durch das Einatmen psychotisch zu werden. Deshalb habe ich immer in der Nähe von rauchenden Menschen die Luft angehalten und/oder vorher deren Zigaretten genau angeschaut, um zu erkennen, ob die jeweilige Person eine Filterzigarette oder womöglich einen Joint raucht. Dieses Kontrollieren war also meine Zwangshandlung. 

Ich musste im Rahmen der Expo dann in einem Park am Bahnhof gehen, in welchem viele rauchende Menschen saßen, und eine Stunde lang immer wieder an diesen vorbeilaufen, ohne die Luft anzuhalten. Ich weiß, das klingt ziemlich „lächerlich“, aber für mich war das anfangs sehr schwer auszuhalten. Ich setzte mich auch neben verschiedene „Raucher“ auf eine Bank und atmete ganz normal weiter. Nach etwa 30 Minuten ließ die Anspannung nach. Erst dann durfte ich die zwangsbesetzte Situation verlassen. 

Im Rahmen weiterer Expositionen sollte ich ein Drehbuch meines Worst-Case-Szenarios schreiben - mit dem Inhalt, wie genau mein Leben als Schizophrenie-Erkrankte aussehen wird (In-Sensu-Exposition). Hierbei sollte ich genau darauf eingehen, was ich dann fühle, denke und wie genau ich mich verhalten werde (Kontrollverlust etc.). Das Ganze sollte ich anschließend noch umschreiben mit dem Ausgang eines Best-Case-Szenarios.

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Diese beiden Szenarien habe ich mir dann regelmäßig durchgelesen und auch als Tonaufnahme gespeichert, um diese täglich anzuhören. Ziel hierbei war es, die Unsicherheit zu akzeptieren, dass ich es nicht zu 100 Prozent wissen kann, ob ich schizophren werde oder nicht. 

Durch das regelmäßige Lesen und Hören der beiden Szenarien (Best-Case und Worst-Case) kam ich gefühlsmäßig richtig in das Gefühl der Unsicherheit, ohne von der einen oder anderen Variante überzeugt zu sein. Diese „Überzeugung“ wäre auch eine mentale Zwangshandlung, sozusagen eine Art Resignation: „Ok, dann bin ich halte schizophren - ist jetzt auch egal.“ Das sollte nicht das Ziel einer Exposition sein, weil es beim Zwang ja immer um das Gefühl der Unsicherheit geht, die nicht akzeptiert wird. Aus diesem Grund ist es enorm wichtig, bei Expositionen in das Gefühl der Unsicherheit zu kommen, die oftmals zu Beginn der Übungen als Panik, Angst oder Anspannung wahrgenommen wird.

Für mich persönlich waren die schwierigsten Expositionen, Videos über Psychose und Schizophrenie anzuschauen. Das hat mich anfangs total fertiggemacht und ich war anschließend immer wieder absolut davon überzeugt, auch schizophren zu sein. „Leider“ - bzw. zum Glück - wurde ich von den Therapeuten kein einziges Mal beruhigt oder rückversichert. 

So gelang es mir, durch viel Übung nicht mehr in die Resignation oder extreme Panik zu verfallen, sondern in der Unsicherheit bezüglich der Schizophrenie zu verweilen. Hier blieb die Anspannung oftmals sehr lange, weil ich ja nicht wie vor dem Klinikaufenthalt von einem Arzt beruhigt wurde.

Diese Anspannung gilt es dann auszuhalten und gleichzeitig seinen Alltag „werteorientiert“ nachzugehen. Was mir dabei sehr geholfen hat, war die Erfahrung, dass die Anspannung/Angst irgendwann nachlässt, ohne dass ich mit Zwangshandlungen etwas aktiv dagegen tun muss. Ich kann trotz der Angst schöne Dinge erleben, Pflichten erfüllen und meinen Alltag gestalten. Beides darf da sein.

Ich persönlich konnte auch von den anderen Gruppentherapien (u.a. zu Achtsamkeit, Selbstmitgefühl, Gestaltung) und den Sportangeboten (u.a. Boxen, Klettern, Fitness und Ergometer) sehr profitieren, da ich mehr ins Fühlen und Spüren gekommen bin. Vorher war ich hauptsächlich in meinem Kopf gefangen, aber jetzt erlebe ich viele Stunden, ohne mir der vielen Gedanken bewusst zu sein. Dies ist für mich die größte Erleichterung. Mir hat die viele „Körperarbeit“ neben den Expositionen sehr geholfen und ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich in der Klinik machen durfte. 

Aktuell bin ich auf der Suche nach einem ambulanten Psychotherapeuten, was sich leider als sehr schwierig erweist. Allerdings mache ich selbständig weiter mit Expositionen und Achtsamkeit, was natürlich für meine weitere Genesung unumgänglich ist. 

Was vielleicht noch wichtig und interessant sein könnte:

Meine frühere Diagnose der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung wurde gestrichen. Diese sei nicht korrekt gewesen. Auch hier würden sich wohl einige Symptome mit denen einer Zwangsstörung ähneln.

Es ist allerdings schon so, dass ich aufgrund einiger traumatischer Erlebnisse und einer gewissen Disposition emotional instabile Züge entwickelt habe bzw. sehr intensiv Emotionen wahrnehme. Hierauf hat sich dann wohl die Zwangsstörung gelegt, um diese „in Balance“ zu halten.

Eine wichtige Funktion meiner Zwangsstörung ist sozusagen die Emotionsregulation. Um diese jetzt ohne Zwänge bewältigen zu können, ist es für mich wichtig, meine Gefühle bewusst im Körper wahrzunehmen und da sein zu lassen. Das erfordert nach wie vor Arbeit und Mut. 

Ich bin motiviert, weiterhin an meinen Zwängen zu arbeiten. Gerade jetzt bin ich für die vielen Informationen und Selbsthilfemöglichkeiten bei OCD Land sehr dankbar und nutze die App täglich für meine Expositionen. Ihr macht tolle Arbeit, was mir von mehreren Therapeuten in der Klinik bestätigt wurde.

Ich wünsche allen Betroffenen viel Mut und Durchhaltevermögen. Es lohnt sich!

Steffi, 48 Jahre

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